Die Ministerpräsidentenkonferenz + Kanzlerin vom 10.02.2021 ist in Verbindung mit der vorherigen vom 19.01.2021 eine Zäsur der Coronapolitik. Wer als Gewerbetreibender, FriseurIn, Familie mit kleinen Kindern, Person mit dringendem Impfbedarf noch ein Restvertrauen darauf hatte, dass selbstgesteckte politische Zielvorgaben eingehalten werden, wurde (ein weiteres Mal) eines Besseren belehrt. Während die Bundesregierung überwiegend nur auf die 7-Tages-Inzidenz schaut und die meisten anderen wesentlichen Faktoren wie Intensivkapazitäten, Impfraten in stationären Einrichtungen und bei medizinischem Personal außer Acht lässt, ist der Regierung nun auch die eigene Zielvorstellung von vor 3 Wochen egal. Am 19.01.21 lag die 7-Tage-Inzidenz bundesweit bei 132, nun ist sie auf 68 halbiert. Die angepeilte 50er Inzidenz ist somit bundesweit in greifbarer Nähe – Merkel und Co. verschieben nun jedoch den Zielhorizont auf eine U35-Inzidenz. Man kann mutmaßen, dass dann Mitte März von einigen politischen Akteuren die Verlängerung des Lockdowns bis zu einer U10-Inzidenz in Aussicht gestellt wird und der Lockdown zum Selbstzweck verklärt würde. Frei nach dem Motto „35 ist das neue 50 und 10 wird das neue 35“. Der Verweis auf die Virusmutationen ist natürlich nicht einfach bei Seite zu wischen. Jedoch ist bisher bei der britischen und südafrikanischen Variante nur bekannt, dass sie ansteckender sind, nicht jedoch zu einer höheren Sterberate führen. Das heißt, dass seit Wochen die Infektionsraten in Deutschland sinken, obwohl die Virusmutationen eine höhere Ansteckungsrate bergen.
Ein weiterer Punkt der darlegt, dass die MPK-Beschlüsse – noch während die Tinte trocknet – bereits obsolet sind, ist folgender: Die am 19.01.21 festgeschriebene Arbeitsgruppe um Kanzleramtsminister Braun, die Öffnungsperspektiven für Gesellschaft und Volkswirtschaft erarbeiten soll, hat bis heute nicht getagt.
Das Gremium MPK+Kanzlerin ist somit nachweislich in für die Bevölkerung wesentlichen Punkten nicht arbeitsfähig, weshalb z.B. auf Initiative der Freien Demokraten die Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein aber auch die FDP-Bundestagsfraktion als Ersatzvornahme nun selbst Perspektivpläne erarbeitet haben. Ich erachte den 7-Stufen-Plan der FDP-Bundestagsfraktion in manchen Teilen als zu optimistisch; es ist aber ein wichtiger Beitrag um den Schließungs- und Lockdownverlängerungs-Arien etwas entgegen zu stellen.
Die Bundesregierung wollte den Lockdown wiederum einfach stumpf um bis zu einen Monat wieder verlängern.
Ein Lockdown, der seit Dezember Schulen, Kitas in weiten Teilen geschlossen bzw. ins Distance-Learning versetzt hat (und leider weiterhin den Bildungserfolg von Präsenzunterricht nicht erreicht).
Ein Lockdown, der sämtliche (nachweislich überwiegend funktionierende) Hygienekonzepte von Dienstleistungen, Einzelhandel oder Gastronomie über den Haufen geworfen hat.
Ein Lockdown, der Gesundheit nur bezüglich Covid19 im Blick hat und alle anderen Gesundheitsrisiken wie verschobene/ausgefallene Vorsorgeuntersuchungen, psychische Belastungen, Vereinsamung kaum berücksichtigt.
Ein Lockdown, der die Kliniken finanziell im Regen stehen lässt, genauso wie den überwiegenden Teil der UnternehmerInnen, Solo-Selbstständigen, freiberuflich Tätigen. Allein für Schleswig-Holstein wurden Zuschüsse für die Wirtschaft in Höhe von 2,278 Mrd. Euro in Aussicht gestellt, ausbezahlt werden konnten bisher aber nur 230,7 Mio. Euro – weil das Antragsverfahren viel zu bürokratisch ist oder die Software des Bundes einfach nicht funktioniert – Deutschland 2021.
Der Aspekt regionaler Entwicklung und regionaler Entscheidung war schon zu Beginn der Corona-Pandemie der richtige Weg, wie das Bekämpfungsmanagement in Bundesländern wie Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein zeigt. Die Unzulänglichkeiten so mancher Bundes- oder Landespolitiker dürfen nicht SchülerInnen, Studierende und Kita-Kinder bundesweit in Geiselhaft nehmen. Schule, Studium und Kita sind keine Gegebenheiten, die einen innerdeutschen Binnentourismus auslösen können – wie es beispielsweise die lokale Öffnung von Hotels oder Freizeiteinrichtungen wiederum sein könnte. Bei diesem Aspekt macht eine bundesweite Absprache Sinn, da vermutlich viele Gäste aus anderen Bundesländern zu einem Freizeitpark nach Schleswig-Holstein kämen, wenn diese nur hier öffnen würden. Dies gilt für Kitas, Universitäten und allgemeinbildende oder berufsbildende Schulen jedoch explizit nicht.
Die Blockadehaltung anderer Bundesländer wie z.B. Bayern oder der Bundesregierung im Generellen darf nicht weiterhin den Bildungserfolg von Kindern und jungen Menschen in Schleswig-Holstein negativ beeinträchtigen.
Ein Zusammentreffen von MinisterpräsidentInnen und Bundeskanzlerin, welches prinzipiell keinerlei Rechtsqualität hat, sollte sich nur noch mit Themen befassen, die auch bundesländerübergreifend Auswirkungen haben. Die Krankenhausfinanzierung, die Impfstoffbestellung, die Impfprioritäten der Bevölkerung, die schnelle und unbürokratische Begleichung finanzieller Schäden aufgrund staatlich angeordneter Berufsverbote, Tourismus um einige Punkte zu nennen.
Alles andere ist alleinige Entscheidungskompetenz des betreffenden Bundeslandes, welches im Lichte der 7-Tages-Inzidenz, freier Intensivkapazitäten, Impfquoten der Gesamtbevölkerung sowie vulnerablen Gruppen als auch Kapazitäten des öffentlichen Gesundheitswesens zur Kontaktnachverfolgung, angemessene und verhältnismäßige Regelungen zu treffen hat.
Es ist daher richtig, dass dieses Mal keine bundesweite Schul- und Kitaschließungen einfach wie bisher fortgeschrieben wurden, sondern die Bundesländer es nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen wieder selbst entscheiden. Damit kommt man zurück auf die Kompetenzverteilung, welche im Grundgesetz auch vorgegeben ist. Diese MPK-Runde vom 10.02.2021 war der Anfang vom Ende dieses rechtlich nicht normierten Gremiums, welches Verantwortlichkeiten zwischen Bundes- und Landesebene, als auch zwischen Regierungen, Verwaltungen und Parlamente verzerrte. Dieses Gremium vermochte auch selbst nach fast einem Jahr nicht der Bevölkerung eine valide langfristige Strategie und Perspektive aufzuzeigen, geschweige denn diese selbst auch einzuhalten.