Teilhabe während der Corona-Pandemie sicherstellen

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Dennys Bornhöft zu TOP 39+47 „Teilhabe während der Corona-Pandemie sicherstellen“

Mit einer neuen Gefahr gehen auch immer neue Unsicherheiten einher. Wir haben zu Jahresbeginn einen deutlich geringeren Wissensstand um das Corona-Virus gehabt als wir es mittlerweile haben. So lässt es sich auch erklären, warum von März bis Mai so weitreichende, sehr einschränkende Maßnahmen erfolgt sind. Schulen geschlossen, Kindertagesstätten geschlossen, Einzelhandel teilweise geschlossen, Altenheime und Kliniken ereilte ein Besuchsverbot, Gottesdienste, Familienfeiern und andere Veranstaltungen verboten. Einrichtungen der Eingliederungshilfe – ebenfalls Besuchsverbot und in den meisten Fällen keine Möglichkeit, das Gebäude zu verlassen. Der Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen, Ulrich Hase, hat uns in der letzten Sozialausschusssitzung sehr eindrücklich dargestellt, wie einschneidend die Lockdown-Zeit für Menschen in Einrichtungen war. Während andere auf die Straße gehen und das Tragen einer Maske beim Supermarkt als Untergang des Abendlandes deklarieren, haben die meisten Menschen mit Behinderungen wirklich schwerwiegende Einschränkungen der Lebensqualität mit Fassung ertragen. So unterschiedlich übernehmen die Menschen im Land Verantwortung für sich und andere. Man kann sich bei denjenigen, die besonnen agieren, nur bedanken. Wir erleben derzeit, dass das leider keine Selbstverständlichkeit ist.

Mittlerweile wissen wir mehr über das Virus. Man weiß mittlerweile, dass es keine einheitliche Risikogruppe gibt. Und es ist auch nicht so, dass Menschen in Einrichtungen der Eingliederungshilfe eine homogene Gruppe sind. Deshalb müssen Besuchsmöglichkeiten deutlich flexibler gehandhabt wer- den und mehr auf die jeweilige Person und ihr persönliches Risiko abgestellt werden – das tut das Land auch. Die Mund-Nasen-Schutz-Pflicht im Einzelhandel oder im ÖPNV ist für zahlreiche Menschen mit Behinderungen ein weiteres alltägliches Problem, da vom Masketragen aus medizinischer Sicht bei einigen Personen abzuraten ist. Daher gibt es Befreiungstatbestände vom Maskentragen. Diese sind jedoch häufig insbesondere bei den Verantwortlichen im Einzelhandel oder beim ÖPNV nicht bekannt. Dies kann zu unangenehmen Diskussionen beim Einkaufen führen oder sogar generell das Einkaufen verhindern.

Die im SPD-Antrag vorgeschlagene Einführung eines eigenen und neuen amtlichen Ausweises ist vermutlich nicht die beste oder schnellste Lösung: Mehr Bürokratie, extra Anträge oder gar Behördengänge für die Betroffenen wären die Konsequenz. Wir brauchen unkompliziertere Lösungen und setzen deswegen auf die notwendige Mischung aus Eigenverantwortung des Einzelhandels und Zuhilfenahme derjenigen Dokumente, die wir bereits haben: Es sollte völlig ausreichen, einen Schwerbehindertenausweis oder ein Attest vorzuzeigen. Schon jetzt gibt die Landesverordnung dies her, dass man mit solchen Dokumenten die Befreiung glaubhaft machen kann. Dies muss aber noch stärker kommuniziert werden.

Es ist voraussichtlich auch noch schwieriger ein neues Ausweisdokument so in der Bevölkerung bekannt zu machen, dass dann auch mit dem neuen Ausweis keine wiederkehrenden Diskussionen am Supermarkt-Eingang entstehen. Das Vorzeigen eines Attestes oder eines Schwerbehindertenaus- weises wird voraussichtlich bei allen Personen die höchste Akzeptanz haben. Zwar mag es Stimmen geben, die dann sagen, dass nicht jede anerkannte Schwerbehinderung am Masketragen hindert, das stimmt. Ich gehe aber nicht davon aus, dass bei denjenigen, die einen Schwerbehindertenausweis tragen, eine höhere Quote an Corona-Leugnern gegeben ist, die diesen Umstand dann ausnutzen würden und sich ungerechtfertigterweise der Maskenpflicht entzögen. So eine negative Grundhaltung wäre auch nicht mit unserem Menschenbild vereinbar.

Alles in allem würde ich die Nutzung von etablierten und sehr bekannten offiziellen Dokumenten der Neuerstellung eines Ausweises vorziehen. Ich danke dennoch der SPD, dass sie das Anliegen in den parlamentarischen Raum getragen hat. Ich freue mich im Ergebnis darauf, im weiteren Verfahren darüber zu beraten, inwieweit wir möglichst unbürokratisch und zügig für Menschen mit Behinderungen eine weitreichende Teilhabe in Zeiten von Corona wieder sicherstellen können und danke für den konstruktiven Ansatz. Über die am Ende beste Lösung werden wir zeitnah diskutieren.“