Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee

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Dennys Bornhöft zu TOP 59 „Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee“

„Herzlichen Dank an Minister Albrecht für die Vorstellung des Berichts zu Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee.

Im Jahre 2011 kam der erste Grundlagenbericht ‚Munitionsbelastung deutcher Meeresgewässer‘ heraus. Spätestens seitdem ist bekannt, dass 1,6 Millionen Tonnen Munition auf dem Meeresgrund langsam vor sich hin rot- ten. Für die Autoren war ‚derzeit nicht erkennbar, dass eine großräumige Gefährdung der marinen Umwelt über den lokalen Bereich der munitionsbelasteten Flächen hinaus vorhanden oder zukünftig zu erwarten ist.‘

Die Situation heute gestaltet sich etwas anders. Die Wissenschaft schätzt nicht nur die Menge an versenkter Munition immer größer ein, es häufen sich auch die Zwischenfälle mit Munition. Die Forschungsmethoden wurden angepasst und liefern nun genauere Zahlen zur Belastung mit Giftstoffen rund um die versenkte Munition. Was vor zehn Jahren vielleicht noch als ‚eine latente Gefahr‘ wahrgenommen wurde, wird jetzt immer dringlicher. ‚Von Munition in Nord- und Ostsee gehen vielfältige Gefahren für Mensch und Umwelt aus‘, so lautet die aktuelle Einschätzung. Man sieht jetzt auch den Bedarf, intensiver in die Forschung und Entwicklung von Bergetechniken zu investieren.

Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass Abbauprodukte von TNT und anderen Sprengstoffen im Muskelfleisch von Fischen und anderen Meerestieren nachweisbar sind. Auch wenn die neusten Untersuchungen von Prof. Maser belegen, dass aktuell nur der Verzehr von Muscheln, die direkt in den Munitionsversenkungsgebieten gelebt haben, zu einem erhöhten Krebsrisiko führen kann, sollten bei allen jetzt die Alarmglocken läuten. Ob eine Anreicherung der immer noch toxischen Abbauprodukte entlang der Nahrungskette möglich ist, bleibt abzuwarten.

Als Start-Up-politischer Sprecher freue ich mich, dass es hier in Kiel nicht nur Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, sondern auch Gründerinnen und Gründer gab, die das Thema schon länger auf dem Schirm haben. Sie arbeiten wie EGEOS um Jann Wendt bereits seit einigen Jahren an dem Thema, sind in internationalen Forschungsgruppen organisiert. Sie haben hier auch die Kiel Munition Clearance Week ins Leben gerufen. Die Fachtagung findet Anfang September hier in Kiel statt. Übrigens auch in virtueller Form. Hier tauschen sich Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft zu dem Thema ‚Munition im Meer‘ aus. Wer die Dringlichkeit des Themas bis heute nicht gesehen hat, dem empfehle ich, sich digital einzuwählen.

Uns hier im hohen Norden ist das Problem bekannt: Der weiße Phosphor wird an unseren Küsten angeschwemmt; es sind unsere Fischer, die alte Munition in ihren Netzen haben. Es ist vor allem unsere Aufgabe, die Bundespolitik immer weiter für das Thema zu sensibilisieren. Auch was den finanziellen Aspekt angeht. Die Expertenanhörung im Umweltausschuss des Bundestags hat die Aufgabe der industriellen Munitionsräumung als eine gemeinsame Aufgabe des Bundes und der Küstenländer unter Führung des Bundes angesehen. Wir werden uns als FDP-Fraktion dafür einsetzen, dass die Belange der Küstenländer, insbesondere von Schleswig-Holstein, hier berücksichtigt werden. Es müssen jetzt Finanzierungsmodelle gefunden werden.

Lassen Sie mich noch ein Wort zu dem wirtschaftlichen Aspekt sagen: Die Munition hat Auswirkungen auf den Tourismus, wenn weißer Phosphor an unseren Stränden liegt und die Wasserqualität sinkt. Die Befahrbarkeit von Schifffahrtswegen wird beeinflusst und beim Verlegen von Kabeln für die Offshore-Windenergie muss auf die Munition Rücksicht genommen werden. Überall werden die Altlasten zum Problem. Man kann der Situation aber auch etwas Positives abgewinnen. Schließlich müssen Entsorgungsplattformen gebaut werden und warum sollten dabei nicht unsere Werften wie TKMS und somit das ganze Land mit Arbeitsplätzen profitieren? Die fachgerechte Entsorgung dieser Altlasten birgt ein enormes Job- und Wertschöpfungspotenzial. Die entwickelten Techniken werden nicht nur in Nord- und Ostsee gebraucht, vor der restlichen europäischen, amerikanischen und asiatischen Küste sind die Probleme ähnlich groß. Schleswig-Holstein ist der ideale Standort für einen weltweit führenden Cluster der Bergung und Beseitigung von Kampfstoffen im Meer.

In der Kolberger Heide, direkt vor unserer Haustür, liegen ca. 30.000 Tonnen Kampfmittel. Dieser Abschnitt eignet sich hervorragend für ein Pilotprojekt. Das habe ich schon in meiner letzten Rede gesagt. Die Beschlüsse aus Bundestag, europäischen Parlament und Ostseeparlamentarierkonferenz zeigen, dass das Thema überall an Fahrt aufnimmt. Wir müssen jetzt handeln, bevor es zu spät ist. Auch für die kommenden Generationen.“